
Der europäische Hydrauliksektor befindet sich derzeit an einem strategischen Scheideweg, an dem ökologischer Wandel, instabile Geopolitik und technologische Transformationen die Wettbewerbsdynamik neu schreiben.
In diesem Kontext spielt Italien weiterhin eine zentrale Rolle, gestützt von einem hoch spezialisierten Produktionsgeflecht insbesondere in der Emilia‑Romagna, in Venetien und in der Lombardei. Die Interpump Group, zu der Hydroven gehört, ist ein Beispiel für industrielle Spitzenleistungen mit internationaler Struktur, Innovationsfähigkeit und finanzieller Solidität.
Doch die Spielregeln ändern sich: Es reicht nicht mehr, gut zu produzieren; man muss zum Anbieter intelligenter Lösungen werden, die Hydraulik, Elektronik und digitale Steuerungen integrieren.
INTERVIEW MIT STEFANO ZAMBELLI, VERTRIEBSDIREKTOR VON HYDROVEN
HERR DIREKTOR, WIE BEURTEILEN SIE DEN AKTUELLEN ZUSTAND DES HYDRAULIKSEKTORS IN ITALIEN UND EUROPA VOR DEM HINTERGRUND DER JÜNGSTEN GLOBALEN HANDELSKONFLIKTE, INSBESONDERE MIT DEN USA?
Die Nachfrage bleibt solide, unterscheidet sich jedoch grundlegend von früher. Heute liegt der Wert nicht nur im Produkt, sondern in der Fähigkeit, effiziente und vernetzte Systeme zu konzipieren. Die Einführung von Zöllen und internationalen Beschränkungen verdeutlicht die Bedeutung, Wertschöpfungsketten geografisch zu nähren. Bei Hydroven behalten wir Konstruktion und Fertigung in Italien und sind in über sechzig Ländern tätig. Dadurch können wir schnell und konsequent auf Kundenanforderungen reagieren. In den USA bedienen wir den Markt weiterhin über unsere Partner; gleichzeitig bot die veränderte Situation die Gelegenheit, unsere Prioritäten zu überprüfen und uns auf andere strategische Märkte zu konzentrieren.
MIT BLICK AUF DIE IVC‑DATEN VON FEDERTEC: WELCHE KRITISCHEN FAKTOREN SOLLTEN DERZEIT IM AUGE BEHALTEN WERDEN?
Die IVC‑Daten vom August 2025 zeigen scheinbare Stabilität, aber auf strukturell hohem Niveau. Die Preise für Materialien wie Eisen und Aluminium sind zwar nicht mehr so volatil wie 2022, liegen aber weiterhin über dem Niveau vor 2019. Die Arbeitskosten sind so hoch wie nie zuvor. Und auch die Energiepreise sind trotz Rückgangs gegenüber den Krisenjahren deutlich höher als im vorangegangenen Jahrzehnt. Das Problem ist daher nicht mehr die Schwankung, sondern der anhaltende Druck auf die Margen. Jedes Risiko birgt jedoch auch Chancen zur Innovation: Antworten müssen Investitionen in Kompetenzen, Technologie und kurze Lieferketten sein.
WIE BEGEGNET HYDROVEN DIESEN HERAUSFORDERUNGEN?
Unsere Strategie beruht auf drei Achsen:
- Technologische Neupositionierung: Wir entwickeln integrierte, intelligente Lösungen mit hocheffizienten Servomotoren und Systemen zur Energieverwaltung und ‑rückgewinnung. Diese vereinfachen das Maschinenlayout, reduzieren Gewicht und Platzbedarf und verbessern zugleich die Energieeffizienz.
- Kundennähe überall: Wir stärken unsere internationale Präsenz durch eine enge Zusammenarbeit mit den verschiedenen Unternehmenseinheiten der Gruppe. Gleichzeitig wollen wir ein Vertriebsnetz mit zuverlässigen, repräsentativen Partnern in jedem Land konsolidieren und ausbauen, um schnelle Antworten und maßgeschneiderte Lösungen zu ermöglichen.
- Dienstleistungsinnovation: Wir liefern nicht nur Produkte, sondern betreuen den gesamten Lebenszyklus der Anlagen – vom Design bis zur Erprobung –, mit besonderem Augenmerk auf die Inbetriebnahme, die für die volle Betriebseffizienz entscheidend ist. Ergänzend bieten wir Aktualisierungen und Schulungen an, um dem Kunden in jeder Projektphase eine stetige und qualifizierte Unterstützung zu garantieren.

Bei Hydroven behalten wir Konstruktion und Fertigung in Italien und sind in über sechzig Ländern tätig. Dadurch können wir schnell und konsequent auf Kundenanforderungen reagieren.
WIE SEHEN DIE LANGFRISTIGEN ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVEN DES SEKTORS AUS?
Wir erkennen weltweit drei Entwicklungsrichtungen:
- Digitalisierung hydraulischer Systeme mit Anbindung an SPS und Fernsteuerungen: Es geht nicht nur um Automatisierung, sondern um vorausschauende Fähigkeiten und Echtzeitüberwachung.
- Nachhaltigkeit und Energieeffizienz, die Konstruktionsentscheidungen lenken: geringere Verluste, weniger Verbrauch, längere Lebensdauer.
- Regionalisierung der Produktion: Wir bevorzugen seit jeher Konstruktion und Fertigung in Italien, um nah an unseren Märkten zu sein. Heute bietet dieser Ansatz – basierend auf Nähe und Versorgungskontinuität – einen Wettbewerbsvorteil für flexible Industrieorganisationen wie Hydroven.
WIE SOLLTE SICH EIN HYDRAULIKUNTERNEHMEN IHRER MEINUNG NACH BIS 2030 POSITIONIEREN?
Ein erfolgreiches Unternehmen im Jahr 2030 muss:
- als Integrator komplexer Systeme auftreten statt nur als Komponentenlieferant;
- modulare Technologien entwickeln, die im Laufe der Zeit anpassbar und aktualisierbar sind;
- mit hoch spezialisierten Bereichen (Automatisierung, Energie, nachhaltige Mobilität) kommunizieren können;
- Ausbildung und Service in den Mittelpunkt stellen, da das Produkt zunehmend Teil eines digitalen Managementsystems sein wird.
WELCHEN RAT GEBEN SIE ITALIENISCHEN KMU DES SEKTORS?
Blicken Sie über das Produkt hinaus. Hydraulik ist heute ein funktionales Element in Maschinen und Anlagen. Es reicht nicht, „gut“ zu produzieren; man muss in der Lage sein, Wert zu gestalten, den Kunden langfristig zu begleiten und zuzuhören.
Zudem empfehle ich, Netzwerke aufzubauen, Erfahrungen zwischen Unternehmen zu teilen und in junge Techniker zu investieren. Italien verfügt über alles, um führend zu bleiben, aber es braucht eine gemeinsame Vision.